Ethik-Leistungskurs bei Omri Boehms Preisverleihung
Zur Person:
Omri Boehm wurde 1979 in Haifa (Israel) geboren und studierte Philosophie in Israel, den USA und München. Er lehrt als Associate Professor an der New Yorker New School for Social Research. 2024 erhielt er den "Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung".
Bericht:
Am 26. November machte sich unser Ethik-Leistungskurs (ein Kooperationskurs des Isolde-Kurz-Gymnasiums mit dem FLG, JKG und AEG) auf den Weg nach Tübingen. An diesem Tag wurde der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm an der Katholischen Fakultät mit dem Alfons-Auer-Ethik-Preis geehrt. Unser Interesse an diesem Autor entstand im Ethikunterricht, da wir im Laufe der Zeit einige Passagen aus seinem Buch "Radikaler Universalismus. Jenseits der Identität" (2022) gelesen und besprochen hatten. In diesem Werk beschäftigt sich Boehm mit der Grundfrage, ob es überhaupt eine universelle Moral geben kann und, wenn ja, wie diese sich begründen ließe. In seinem Vortrag, der in englischer Sprache gehalten wurde, würdigte Boehm unter anderem den ersten Artikel des deutschen Grundgesetzes als „metaphysischen“ Grundsatz. Metaphysisch bedeutet hier, dass es sich um einen von Interessen, Meinungen und Traditionen unabhängigen Grundsatz handelt. Moralische Prinzipien entspringen nicht dem demokratischen Konsens, so Boehm, sondern beanspruchen universelle Gültigkeit. Boehm plädiert daher für eine Überwindung eines verkürzten Verständnisses der Aufklärung, das er als bloße Durchsetzung empirischer Interessen von Individuen oder Gruppen kritisiert. Stattdessen fordert er eine Rückkehr zu einem genuinen kantianischen* Verständnis der Aufklärung, das die Bereitschaft umfasst, die kategorische Verpflichtung moralischer Grundsätze anzuerkennen. Boehm wendet seinen Ansatz auch auf unsere moderne Welt an und zeigt, wie aktuelle Konflikte – vom Nahostkonflikt bis hin zu populistisch motivierten gesellschaftlichen Spaltungen – gelöst werden könnten, wenn Wahrheit und Gerechtigkeit Vorrang hätten. Schätzenswert fanden wir Boehms Bemühung, der Moral eine universelle Grundlage zu verschaffen. Doch birgt dieser Ansatz nicht auch die Gefahr von Missbrauch und Bevormundung? Wer soll im Einzelfall entscheiden, was richtig und falsch ist? Und ist der Rückgriff auf eine religiös geprägte „prophetische“ Haltung wirklich notwendig, um sich der „Wahrheit“ anzunähern? Ist Wahrheit – von Sokrates über Habermas bis hin zu John Rawls (einer der Schwerpunktautoren im Abitur 2025) – nicht vielmehr Gegenstand eines philosophischen Diskurses? Die Redebeiträge bei der Preisverleihung dauerten an diesem Abend sehr lange, so dass am Ende leider keine Zeit für unsere Fragen blieb. Diese werden uns jedoch weiterhin im Kurs – und vielleicht ein Leben lang – beschäftigen.
*kantianisch – nach dem Philosophen Immanuel Kant
Text: J2-Leistungskurs Ethik / Herr Pacini
Kursfoto: - " -
Autorenfoto: Amrei-Marie, CC BY-SA 4.0 creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Omri_Boehm_2024_-_2.jpg